Bei einem Innenministertreffen in Luxemburg stimmte am Donnerstag, 08.06., eine ausreichend große Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten für umfassende Reformpläne. Diese sehen insbesondere einen deutlich strengeren Umgang mit Migrant*innen ohne Bleibeperspektive vor. So sollen Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden. Dort soll dann innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob eine Chance auf Asyl besteht. Ist das nicht der Fall, sollen die Menschen umgehend abgewiesen werden.
Die deutsche Bundesregierung hatte sich dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden – dies konnte sie jedoch nicht durchsetzen. Neben den verschärften Asylverfahren sehen die beschlossenen Pläne mehr finanzielle Mittel für stark geforderte Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen vor. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, müssten dann nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend Ausgleichszahlungen entrichten – dadurch könnten beispielsweise Länder wie Italien profitieren, wo in diesem Jahr bereits mehr als 50.000 Migranten registriert worden sind.
Die noch ausstehenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament sollen im Idealfall noch vor Ende des Jahres abgeschlossen werden. Dann könnten die Gesetze noch vor der Europawahl im Juni 2024 beschlossen werden. Sollte dies nicht gelingen, könnten allerdings veränderte politische Verhältnisse Neuverhandlungen erfordern.
Das sind die Nachrichten – was ist nun unser Vereins-Standpunkt? Philipp Kraus, unser Gesamtkoordinator der Flüchtlings- und Integrationsberatung (FIB), findet klare und kritische Worte zu den Reformplänen:
„Die Europäische Union war in den vergangenen Jahren sehr stark uneins und gespalten in der Asylfrage. Nun wird von einem Durchbruch in der Asylpolitik der EU-Mitgliedsländer gesprochen. Doch zu welchem Preis werden künftig an den EU-Außengrenzen Asylverfahren im „Schnelldurchgang“ um- und durchgesetzt?
Als Verein, der sich seit 1992 für mehr Menschlichkeit und Integration einsetzt, verurteilen wir diese Verschärfung in der Migrationspolitik! Sie steht aus unserer Sicht nicht im Einklang mit dem im Grundgesetz verankerten Recht auf faire und rechtsstaatliche Prüfung eines Asylgesuchs und wird das Leid an den europäischen Außengrenzen vergrößern. Weitgreifende Entscheidungen über menschliche Schicksale sollte man nicht im Eiltempo treffen! Insbesondere vulnerable Gruppen wie Kinder und Familien müssen unbedingt von diesem Grenzverfahren ausgeschlossen werden. Es ist sehr fraglich, ob der Schutz von Menschenrechten in diesen Aufnahmeeinrichtungen und unter haftähnlichen Bedingungen garantiert werden kann. Die Asylfrage kann nicht mit Abschottung und Stacheldraht beantwortet werden, sondern bedarf mehr Humanität und Rechtsstaatlichkeit!“